„NEOPHYTENPLASMA – Verfallsgötzen & Alltagsreliquien“

Ausstellung mit Zeichnungen, Illustrationen, Skulpturen und Ready-Mades von Felix Pestemer in der Galerie bobparsley. Die Arbeiten dokumentieren den Verfall von Alltagsgegenständen und die Folgen des bewussten und unbewussten Einwirkens der modernen Gesellschaft auf die Umwelt.

Aber was zum Teufel ist Neophytenplasma?

’20 Jahre Neophytenplasma‘ (Acryl auf Matratze, 160 x 200 cm)

Mit unserem Naturbegriff kommen wir nicht mehr weit: Seit der Steinzeit produzieren wir Kunst und ökologische Katastrophen. Vermutlich sind sie der Inbegriff der Zivilisation schlechthin. Doch selbst wenn es nie ein Paradies oder einen rousseauschen Urzustand gegeben hat, bleibt das romantische Ideal einer Landschaft in unserem Stammhirn intakt, wie eine Projektion des Lebensraumes des ersten Australopiticus. Dessen verunglückte Modellversion findet sich im Menschenpark, der Biosphere II, Tropical Island und allen Center Parks: Ausgewählte Ausschnitte oder gar Hologramme der Wirklichkeit, die einer dialektischen Wahrnehmung der Welt entsprungen sind. Ist und Soll. Was für eine protoreligiöse Allianz von Naturwissenschaft und der Domestikation des Lebens! So kannst du ewig hinterher rennen – bis dich der Tod einholt. Ach so, der Tod! Ein weiterer Indikator für das Versagen unseres Naturbegriffes: Die notorische Ausblendung der Vergänglichkeit, und damit so vieler zyklischer und generischer Prinzipien der Natur. Als gäbe es keinen Bodensatz. Als gelte es, eine Blüte am Peak ihrer Pracht in Kunstharz zu gießen. Als seien wir unsterblich. Dabei wäre es vom therapeutischen Standpunkt doch viel ratsamer, sich beizeiten mit dem Panorama einer Kulturlandschaft anzufreunden, die unserem Lebensstil entspricht. Sie sieht vielleicht nicht immer schön aus, ist aber wenigstens authentisch. Ob Rübenacker oder Müllhalde. Oder der kleine Buchenhain.

Neophytenplasma soll unsere Ansprüche und unsere ästhetischen Vorlieben, überhaupt unsere gesamte Wahrnehmung verschieben. Injiziert ins Rückenmark, breitet es sich in Windeseile bis in die Großhirnrinde aus. Das hat massive Auswirkungen: Plötzlich verspüren wir keine Angst mehr zu versagen – das liegt schon hinter uns. Wir mögen das, was wächst, aber das, was vor sich hingammelt, können wir auch gut leiden. Auch Müll und Dreck ist beliebt („Guck mal, hab ich selber gemacht!“). Seltenes kann uns genauso entzücken wie das Alltägliche, Unscheinbares bisweilen mehr als Prächtiges. Über extrem Hässliches könnten wir uns stundenlang bekringeln. Wir bestellen unser Salatbeet guten Mutes, nachdem wir die Bierbüchsen des nächtlichen Trinkgelages zur Seite geräumt haben. Jetzt ist der Boden kontaminiert, alle Nacktschnecken dahingerafft. Unser Kopfsalat ist trotzdem zerfressen. Mittlerweile beherrschen gigantische Zwölf- und Vierzehnender-Mollusken die Szene, Mutanten, gegen die niemals ein Pflanzenschutzmittel entwickelt wurde. Was soll´s, wir haben gelernt zu teilen. Allein die hellblaue Färbung dieser Monsterschnecken erinnert noch an die Zeiten, als Tante Emmi wie wild Schneckenkorn streute. Sogar der Gockel Max ist davon hellblau geworden – und ausgesprochen friedfertig. Er killt nur die Vierzehnender, die er für das tägliche Überleben braucht.

VERNISSAGE am Freitag, den 01.06.2007, ab 19 Uhr
AUSSTELLUNG vom 02.06.2007 – 02.07.2007

Ausstellung „NEOPHYTENPLASMA“ in der Galerie bopparsley

bobparsley
Petersburger Straße 30
10249 Berlin (Friedrichshain)
Tram M10 – Straßmannstraße

Öffnungszeiten: Mo+Di 13-19 Uhr,
Mi – So nach Vereinbarung

Infolinks:
Info der Galerie bobparsley